Az

Schriftart wählen

Schriftgröße wählen

Zeilenabstand wählen

Schnellzugriff Verlauf Funktionen
Hallo miteinander, da das Bild, unter dem diese Diskussion stattfand, im Zuge einer strengeren Auslese der Bilder für die Rubrik 'Mensch und Natur' nun herausgenommen werden soll, mir das Thema aber wichtig ist, kopiere ich die betreffenden Kommentare mal hier ins Textforum, wobei ich alles, was nicht direkt mit dem Thema zusammenhing, herausgeschnitten habe:

2011-04-18 06:10:55
Christoph Keller

Nach meiner Erfahrung haftet dem Angeln eine überaus positive Aura an. Man verbindet damit Natur, Naturverbundenheit, Abenteuer, Gesundheit, Frische, Erholung, auch menschliche Beziehung, wenn z.B. der Papa mit dem Sohnemann rauf in die Berge zum Angeln an einem quellfrischen Gewässer geht... usw...

Klammert man einmal den vermutlich sehr geringen Prozentsatz jenes Anglertums aus, das wirklich zur Lebenserhaltung und Nahrungsbeschaffung unverzichtbar ist, so ist das, was übrigbleibt, das genaue Gegenteil der obigen Aufzählung: Es ist Tierquälerei als Sport und Zeitvertreib. Es werden gesunde Tiere auf qualvolle Weise getötet. Angefangen von den lebendig aufgespiessten Ködertieren bis zu den Fischen, deren Maul mit Haken aufgerissen werden, und die dann teilweise in einem Eimer einen langsamen Tod sterben...

Wenn jetzt argumentiert wird, dass auch mit toten Ködern geangelt wird und die Fische dann sofort getötet werden, ändert das nichts an der Natur der Sache, nur an einer mehr oder minder grausamen Prozedur.

Weitet man das Thema dann noch auf die Hochsee-Anglerei aus, bleibt nur noch blankes Entsetzen über das Hinschlachten hochentwickelter Lebewesen...

Gruss, Toph

2011-04-18 08:32:47
Sarah Böhm

Hi Christoph.

An sich stimme ich dir zu. Angeln ist zu einem Kult geworden, bei dem oft vergessen wird, dass es sich um Lebewesen handelt. Viele Fische werden einfach achtlos in die Sonne geworfen, wo sie dann erst langsam verenden...das ist in meinen Augen auch nicht der Sinn der Sache. Da fehlt dann der Respekt.

Aber leider ist das in fast allen Bereichen der Fall, vorallem, was die Massentierhaltung angeht. Du glaubst gar nicht, wieviele Schweine, Kühe, Hühner, Enten usw. dahinvegetieren, ohne dass das Veterinäramt etwas dagegen unternimmt. Weil Tierquälerei leider nur eine Ordnungswidrigkeit ist, wird leider wenig dagegen unternommen, da steht ja auch eine riesige Lobby dahinter. Da wird vertuscht, was das Zeug hält.

Aber verzichtet deshalb jeder auf Fleisch aus dem Supermarkt? Nein.

Ich habe persönlich nichts dagegen, wenn man sich das Abendessen selbst fängt (und das Tier schnell erlöst). Das ist für mich die bessere Alternative, als in den Supermarkt zu gehen und sich mit bestem Gewissen Chicken Nuggets zu kaufen.

Die Hochseefischerei ist natürlich noch ein anderes Thema, aber Angeln an sich finde ich noch am vertretbarsten, wenn man dabei den nötigen Respekt beibehält.

Viele Grüße
Sarah

2011-04-18 08:52:55
Rainer Deible

Hallo Toph,

also gut, dann oute ich mich mal. Ob diese Diskussion hier erwünscht ist und überhaupt Sinn macht, möchte ich nicht beurteilen.

Ich habe eigentlich mein ganzes Leben lang geangelt, war sogar ein paar Jahre Gewässerwart in einem Verein.

Geangelt habe ich vorwiegend mit der künstlichen Fliege, mit Blechködern oder toten Ködern. Die letzten Jahre habe ich eigentlich immer mehr Abstand von der Fischerei (Sport war das für mich nie) genommen, da für mich andere Sachen wichtiger waren und mich vieles an der Angelei immer mehr gestört hat. Nennen kann man da z.B. die mit Scheuklappen geführte Kormorandiskussion (Scheuklappen und wenig Weitsicht haben auch viele Jäger), Sachen wie "catch and release" und "put and take", Besatzpolitik (behördlich verordnet) zu Gunsten wirtschaftlich interessanter Fischarten, obwohl die Gelder bei einer Verbesserung der Gewässer sinnvoller einzusetzen wären. Endgültig war die Fischerei für mich erledigt, als ich aufgehört habe Fleisch zu essen. Wenn ich den gefangenen Fisch nicht für meine Ernährung (ja, ich koche gut und habe Fisch gerne gegessen) verwerte, dann macht es auch absolut keinen Sinn mehr.

Nur möchte ich jetzt nicht grundsätzlich jeden Angler als Sündenbock hinstellen. Wenn man Rotbarschfilet, Hummer und Kaviar kauft, und diese mit Genuss verspeist, dann sollte man besser erst mal bei seinem eigenen Tun und Handeln ansetzen.

Ich kann mich auch nicht über das Leid von Hunden und Katzen in südlichen Ländern aufregen, solange ich als Verbraucher mit meinem Einkauf beim Metzger oder beim Discounter für die Massentierhaltung und ihre Folgen verantwortlich bin. Leid erfährt das Schwein oder das Hähnchen genauso wie der Hund oder die Katze und ein von Naturfotografen mehrmals vom Gelege verscheuchter Vogel ist auch nicht unbedingt in einer beneidenswerten Situation.

LG Rainer

2011-04-18 09:32:41
Michael Glass

Ich finde Ihr letzter Absatz hat durchaus etwas von Totschlagargument. Sollten wir uns nicht schämen, dass wir hier über Angeln reden, wo in Afrika Kinder sterben? Nur weil man Fleisch isst, muss man nicht automatisch akzeptieren, dass Tiere "zum Spaß" gequält werden. Wer angelt, um die Fische zu essen, hat meinen ganz persönlichen Segen. Ich persönlich kann den Spaß am Angeln nicht nachvollziehen - ich hätte wohl Angst, dass so ein Tier wirklich anbeisst und ich es wie auch immer verletze oder gar umbringe.

Was meiner Meinung nach Angeln von anderen von Ihnen genannten Dingen unterscheidet, ist die Intention. Man geht nicht raus, um einen Bodenbrüter zu verscheuchen. Oder eine Schlange aufzuschrecken. Oder ein Reh zu stören. Beim Angeln beinhaltet der Prozess des Angelns jedoch zu einem gewissen Maß die Verletzung - sie ist sogar der "Erfolg" an sich. Das Aufschrecken bzw. Verscheuchen eines brütenden Vogels ist halt eher ein Misserfolg in der Fotografie.

Sei's drum.
Micha

2011-04-18 09:35:50
Marion Ehrlich

Dieser Artikel stand vor kurzem im Spiegel:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,749108,00.html

LG,
Marion

2011-04-18 10:31:14
Ines Mondon

[...]

was das angeln an sich angeht schließe ich mich tophs kommentar, den ich als sehr gut und sehr sachlich empfinde, an!

@sarah:

Zitat:

„Ich habe persönlich nichts dagegen, wenn man sich das Abendessen selbst fängt (und das Tier schnell erlöst). Das ist für mich die bessere Alternative, als in den Supermarkt zu gehen und sich mit bestem Gewissen Chicken Nuggets zu kaufen.”

das wiederum würde mir bissel angst bereiten wenn das tatsächlich alle fleischesser tun würden. Bild: Lächelndes/zwinkerndes Gesicht

vg
ines

2011-04-18 10:40:01
Sarah Böhm

Hallo Ines.

Das war ja auch eher so gemeint, dass ich Angeln an sich nicht so verwerflich finde. Natürlich wäre es unmöglich, wenn das alle tun würden. Bild: Lächelndes/zwinkerndes Gesicht

Das bezog sich ja eher darauf, dass man beim Angeln noch einen anderen Bezug zu seinem "Essen" hat, als wenn man in den Aldi geht und dort abgepacktes Fleisch kauft, ohne zu wissen, wo es herkommt.

lG

2011-04-18 11:19:20

Ines Mondon

ah, o.k., ich nehme halt immer an, etwas ist so gemeint wie es dasteht. Bild: Lächelndes/zwinkerndes Gesicht

wobei ich jetzt schon auch bissel irritiert bin, dass man chicken nuggets auch angeln kann. Bild: Grinsen

2011-04-18 11:21:39
Sarah Böhm

Bild: Grinsen

Man kann da ja auch abgepacktes Fischfleisch kaufen. Bild: Lächelndes/zwinkerndes Gesicht

lG

2011-04-18 10:59:24
Christine Walter

[...]

Als erstes mag ich Angler, weil die meistens sehr ruhige Gesellen sind und keinen Lärm verursachen. Auch wenn ich an ihrem Teich Libellen fotografiere, begegnen sie mir mit Respekt und haben schon nachgefragt, ob sie mich stören Bild: Lächelndes Gesicht. Das gibt es unter uns Menschen ja immer weniger.

Ansonsten bin ich auch nicht überzeugt, was manche Angelvereine so tun. Sie werfen Setzlinge in den Teich, um dann einen Sport draus zu machen und sie herauszuangeln, wenn sie groß genug sind. Weitere Infos sind mir allerdings nicht bekannt. Und wie unsere Nahrung zum großen Teil produziert wird, dürfte hinlänglich bekannt sein. Ob da jetzt Angler größere Missetäter sind oder wir, die entsprechende Produkte kaufen, da will ich jetzt nicht urteilen. Wir hier als Naturfotografen hätten gerne eine heile Welt. Aber da fängt es bei mir innerlich schon zu rebellieren an: Wie weit fliegt oder fährt ein Naturfotograf um "sein" Bild zu machen, was schon hundert Mal fotografiert wurde und was zerstört er in dieser Zeit an Natur? Das ist nicht so augenscheinlich und messbar, dennoch bleibt bei mir ein fader Nachgeschmack.

Gruß
Christine

2011-04-18 11:46:05
Frank Müller

Sicher gibt es unter Anglern schwarze Schafe , die ihren Fang nicht weidgerecht behandeln. Man sollte jedoch nicht vergessen, wieviele Angelsportvereine sich für Renaturierungsmaßnahmen und Umweltschutz (Müllsammelaktionen, Besatzmaßnahmen bedrohter Kleinfische, anlegen von Kiesbetten, Biologische Gewässeruntersuchungen usw.) einsetzen. Viele Gewässer, an denen wir heute Insekten und Wasservögel oder Pflanzen fotografieren, sind erst durch die Arbeit von Angelsportvereinen entstanden.

Einen Fisch, der sein Leben in Freiheit verbracht hat, zu fangen und ihn dann weidgerecht zu töten und zu verzehren, finde ich immer noch besser als ein Hähnchen aus Massentierhaltung zu verspeisen.

Und dass Angeln einsam macht kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, vielmehr sucht man ja gerade die Ruhe vom Alltagsstress.

Viele Grüße Frank

2011-04-18 12:29:58
Marcus,Wicker

Auch wenn ich mich ggf. damit in die Nesseln setze, möchte ich dennoch Frank seinen Kommentar unterstreichen!

Gehöre zwar nicht der Zunft der Angler an, doch profitiere ich/viele andere von deren
Arbeit an und in gewissen Gewässerabschnitten. Viele Areale wären ohne diese "Zunft" in kürzester Zeit nicht mehr begehbar, viele Arten würden abwanderen, und die Vermüllung am Gewässer und drum herum würde exorbitant steigen.

Unter dem Aspekt "Neuronengeflüster im Endhirn" bekommt das ganze aber wiederum einen faden Beigeschmack.

Ändern wird es sicherlich nichts.

Gruß Marcus

2011-04-18 14:58:20
Heinz Fuchs

[...]

[Das Bild] hat aber durch Toph eine Diskussion in Gang gesetzt, die sicherlich nicht grundsätzlich als falsch oder negativ zu sehen ist.

Doch befürchte ich, dass eine solche Diskussion dahin führen könnte, wie es sie seit Jahrzehnten zwischen Naturschützern und Jägern gibt. Die meisten Versuche starten sachich, enden aber in Unsachlichkeit und gegenseitigen Vorwürfen und Beleidigungen.

Das ist bei der hier angefangenen Diskussion nicht der Fall, es wäre schön, wenn es so bliebe. Vielleicht tut es einfach mal gut, seine Sicht der Dinge darzulegen, so erfährt man ja auch einiges über die Mitglieder dieses Forums, oder?

Also, allen noch eine sachliche und von gegenseitigem Respekt beladene Diskussion.

Gruss Heinz

2011-04-18 18:22:49
Christoph Keller

[...]

@ Alle: Ich versuche mal eine allgemeine Antwort auf all das, was bisher geschrieben wurde, und was ich alles gut verstehen und nachvollziehen konnte:

Grausamkeit (im Sinn von Qual und Leid) ist eine Naturgegebenheit. Das Prinzip des gegenseitigen Fressens ist eine Naturgegebenheit. In diesem Kreislauf stehen wir drin, ob wir wollen oder nicht. Ob wir nun Fleisch oder Fisch essen, zum Arzt gehen oder Medikamente nehmen, stehen wir mit fast all unserem Tun am Ende einer Kette, in deren Verlauf unvorstellbare Grausamkeit stattfindet. Da kann sich keiner von uns ausnehmen. Daher geht es überhaupt nicht darum, wer nun besser oder schlechter ist. Keiner von uns ist besser oder schlechter.

Wir besitzen aber - vermutlich im Gegensatz zu den meisten anderen Lebewesen - die Fähigkeit, diese Grausamkeit zu sehen, mit einem anderen Lebewesen mitzuleiden. Und das befähigt uns, zumindest auf *unnötige* Grausamkeit zu verzichten. Darum gehts, und mehr ist vermutlich nicht möglich.

Unter diesem Gesichtspunkt greift dann ein Argument nicht mehr, das nach diesem Muster gestrickt ist: Ich bin sowieso mitschuldig am unvorstellbarem Leid anderer Lebewesen, dann kann ich auch angeln. Oder: da ich mich aktiv um die Erhaltung oder Schaffung natürlichen Lebensraums beteilige, darf ich auch angeln... Oder: Angler sind doch so ruhige und hilfsbereite Menschen, da kann das Angeln doch nicht so schlimm sein. So richtig der erste Teil jedes dieser Sätze ist oder sein mag, so falsch ist der zweite, vorallem dann, wenn man statt 'Angeln' 'Fische quälen' einsetzt. Und für mich stellt das Angeln einen riesigen Haufen *unnötigen Leids* dar, der vielfach gar nicht wahrgenommen oder sogar gutgeheissen bis zu glorifiziert wird.

Sarahs Argument greift da schon eher: es ist besser, sich den Fisch, den man essen will, selbst zu fangen, anstatt ihn beim Aldi zu kaufen. Da ist was dran. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht doch 'humanere' Arten des Fischfangs gibt als das Angeln. Da müsste man drüber nachdenken...

Worum es mir geht, ist, dem Angeln den Nimbus des Positiven zu nehmen und es als das zu sehen, was es aus Sicht der Fische und Ködertiere ist: eine Qual. Wenn man diese Sicht einnimmt, müsste eigentlich alles unnötige Töten ein Ende haben: Töten zum Sport, Töten zur Erholung, Töten zum Zeitvertreib...

Beste Grüsse, Toph